Kc
Kp

Das Chemische Gleichgewicht

Entdecke die dynamische Welt reversibeler Reaktionen, das Massenwirkungsgesetz und wie Temperatur, Druck und Konzentration das Gleichgewicht beeinflussen. Grundlegende Konzepte für das Verständnis komplexer chemischer Systeme.

Chemisches Gleichgewicht - Wenn die Natur einen Kompromiss findet

Stell dir vor, du bist in einer Sporthalle, in der ein spannendes Basketballspiel stattfindet. Auf der einen Seite steht Team Rot, auf der anderen Team Blau. Die Spieler werfen ständig Bälle hin und her. Jetzt stell dir vor, dass genauso viele Bälle von Rot nach Blau fliegen wie umgekehrt. Obwohl alle in Bewegung sind, ändert sich die Anzahl der Bälle auf jeder Seite nicht mehr. Das ist genau wie ein chemisches Gleichgewicht!

In unserem Alltag begegnen uns chemische Gleichgewichte überall, oft ohne dass wir es bemerken:

Stell dir das chemische Gleichgewicht wie einen Tauziehwettbewerb vor, bei dem beide Seiten gleich stark sind. Niemand gewinnt, aber beide Teams ziehen kontinuierlich. Oder wie einen Bahnhof, in dem ständig gleich viele Menschen ein- und aussteigen, sodass die Anzahl der Wartenden konstant bleibt, obwohl ein ständiges Kommen und Gehen herrscht.

Was wäre, wenn du in einem solchen System etwas verändern könntest? Was passiert, wenn plötzlich mehr Personen auf den Bahnhof strömen oder ein Team beim Tauziehen Verstärkung bekommt? Genau das machen wir in der Chemie, wenn wir Gleichgewichte beeinflussen - und das Verständnis davon ermöglicht uns, vom Klimaschutz bis zur Medikamentenentwicklung einige der wichtigsten Prozesse unserer modernen Welt zu steuern.

In dieser Lerneinheit entdeckst du, wie Chemiker*innen diese dynamischen Systeme verstehen und kontrollieren können. Du lernst, warum manche Reaktionen nie vollständig ablaufen, wie sich Gleichgewichte verschieben lassen und wie du das in Experimenten selbst beobachten kannst.

1. Grundlagen des chemischen Gleichgewichts

In vielen chemischen Reaktionen laufen Hin- und Rückreaktion gleichzeitig ab, bis sich ein dynamisches Gleichgewicht einstellt. Im Gleichgewichtszustand sind die Geschwindigkeiten von Hin- und Rückreaktion gleich groß, und die Konzentrationen der beteiligten Stoffe bleiben konstant.

Umkehrbarkeit chemischer Reaktionen

Voraussetzung für ein chemisches Gleichgewicht ist die Reversibilität der Reaktion:

  • Reaktionen, die in beide Richtungen ablaufen können
  • Im Gleichgewicht laufen Hin- und Rückreaktion mit gleicher Geschwindigkeit ab
  • Dargestellt durch den Doppelpfeil: ⇌
  • Beispiel: Estersynthese und -hydrolyse

Merkmale des chemischen Gleichgewichts

Ein System im chemischen Gleichgewicht zeichnet sich aus durch:

  • Konstante Konzentrationen aller beteiligten Stoffe
  • Dynamischer Prozess (ständiger Stoffumsatz)
  • Einstellbar von beiden Seiten der Reaktionsgleichung
  • Nur in geschlossenen Systemen vollständig erreichbar

1.1 Verschiedene Arten von Gleichgewichten

Je nach Verhältnis der Konzentrationen von Edukten und Produkten im Gleichgewichtszustand unterscheiden wir verschiedene Situationen:

Gleichgewicht auf Produktseite Kc >> 1 Zeit Konzentration Edukte Produkte Gleichgewicht erreicht Beispiel: Essigsäure in Wasser Gleichgewicht auf Eduktseite Kc << 1 Zeit Konzentration Edukte Produkte Gleichgewicht erreicht Beispiel: Stickstoffdioxid-Dimer

Abb. 1: Konzentrationsverlauf bei reversiblen Reaktionen bis zum Erreichen des chemischen Gleichgewichts

Erklärung der Konzentrations-Zeit-Diagramme

Die beiden Diagramme veranschaulichen den zeitlichen Verlauf der Konzentrationen von Edukten und Produkten bis zur Einstellung des chemischen Gleichgewichts für zwei unterschiedliche Reaktionstypen:

Diagramm 1: Gleichgewicht auf der Produktseite (Kc >> 1)

In diesem Diagramm sehen wir eine Reaktion, bei der das Gleichgewicht stark auf der Produktseite liegt:

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Dissoziation von Essigsäure in Wasser, wo im Gleichgewicht der größte Teil der Essigsäure in dissoziierter Form vorliegt (wenn auch nicht vollständig).

Diagramm 2: Gleichgewicht auf der Eduktseite (Kc << 1)

In diesem Diagramm sehen wir eine Reaktion, bei der das Gleichgewicht stark auf der Eduktseite liegt:

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Dimerisation von Stickstoffdioxid, wo bei Raumtemperatur nur ein kleiner Teil des Stickstoffdioxids als Dimer N2O4 vorliegt.

Wichtige Merkmale beider Diagramme:

  1. Dynamischer Prozess: Obwohl die Konzentrationen im Gleichgewicht konstant bleiben, laufen Hin- und Rückreaktion kontinuierlich weiter.
  2. Übergangsphase: Vor Erreichen des Gleichgewichts zeigen die Kurven einen nicht-linearen Verlauf, da sich die Reaktionsgeschwindigkeiten von Hin- und Rückreaktion mit den Konzentrationen ändern.
  3. Stabilisierung: Im Gleichgewicht sind die Konzentrationen konstant (horizontale Linien), weil die Geschwindigkeiten von Hin- und Rückreaktion gleich sind.

Diese Diagramme helfen zu verstehen, warum manche Reaktionen scheinbar unvollständig ablaufen oder warum unter bestimmten Bedingungen bestimmte Stoffe dominieren.

1.2 Verschiedene Arten von Gleichgewichten

Gleichgewicht auf der Produktseite (Kc >> 1)

Wenn das Gleichgewicht stark auf der Produktseite liegt, bedeutet dies:

  • Die Hinreaktion ist thermodynamisch begünstigt
  • Im Gleichgewicht liegt deutlich mehr Produkt als Edukt vor
  • Die Gleichgewichtskonstante K ist viel größer als 1

Beispiele aus dem Alltag:

  • Essigsäure in Wasser: \( \ce{CH3COOH + H2O <=> CH3COO- + H3O+} \) (K ≈ 1,8 · 10-5)
    Obwohl K klein erscheint, liegt das Gleichgewicht bei verdünnter Essigsäure deutlich auf der rechten Seite, da wir einen großen Wasserüberschuss haben.
  • Verbrennung von Methanol: \( \ce{2 CH3OH + 3 O2 <=> 2 CO2 + 4 H2O} \) (K sehr groß)
    Diese Reaktion läuft praktisch vollständig ab.

Gleichgewicht auf der Eduktseite (Kc << 1)

Wenn das Gleichgewicht stark auf der Eduktseite liegt, bedeutet dies:

  • Die Rückreaktion ist thermodynamisch begünstigt
  • Im Gleichgewicht liegt deutlich mehr Edukt als Produkt vor
  • Die Gleichgewichtskonstante K ist viel kleiner als 1

Beispiele aus dem Alltag:

  • Stickstoffdioxid-Dimerisation: \( \ce{2 NO2 <=> N2O4} \)
    Bei Raumtemperatur liegt ein Gleichgewicht vor, das bei steigender Temperatur zur Eduktseite verschoben wird.
  • Löslichkeit von Sauerstoff in Wasser: \( \ce{O2(g) <=> O2(aq)} \)
    Die geringe Löslichkeit von Sauerstoff in Wasser ist ein Gleichgewicht, das stark auf der Gasseite liegt.

1.3 Bedeutung für Alltagsprozesse

Die verschiedenen Arten von Gleichgewichten haben direkte Auswirkungen auf Prozesse, die wir täglich erleben:

  • Kohlensäurehaltiges Wasser: Das Gleichgewicht \( \ce{CO2 + H2O <=> H2CO3} \) liegt auf der linken Seite (K << 1), was erklärt, warum Kohlendioxid aus geöffneten Getränken entweicht.
  • Metallkorrosion: Die Oxidation von Eisen \( \ce{Fe + O2 <=> Fe2O3} \) hat ein Gleichgewicht weit auf der Produktseite (K >> 1), was erklärt, warum Metalle in Gegenwart von Sauerstoff und Feuchtigkeit korrodieren.
  • Kalk im Leitungswasser: Das Gleichgewicht \( \ce{Ca(HCO3)2 <=> CaCO3 + CO2 + H2O} \) wird durch Temperaturerhöhung zur rechten Seite verschoben, was die Kalkablagerungen in Wasserkochern erklärt.

Die Lage des Gleichgewichts bestimmt letztlich, ob und wie weit eine Reaktion unter gegebenen Bedingungen abläuft und wie wir diese Reaktionen für technische oder alltägliche Zwecke nutzen können.

2. Das Massenwirkungsgesetz (MWG)

Das Massenwirkungsgesetz beschreibt quantitativ die Zusammensetzung eines Systems im chemischen Gleichgewicht durch die Gleichgewichtskonstante K.

Allgemeine Form des Massenwirkungsgesetzes:

Für die allgemeine Reaktion: \( \ce{aA + bB <=> cC + dD} \) gilt:

\[ K_c = \frac{[C]^c \cdot [D]^d}{[A]^a \cdot [B]^b} \]

wobei:

  • Kc = Gleichgewichtskonstante (bezogen auf Konzentrationen)
  • [A], [B], [C], [D] = Gleichgewichtskonzentrationen in mol/L
  • a, b, c, d = stöchiometrische Koeffizienten

Interpretation der Gleichgewichtskonstante

Der Wert der Gleichgewichtskonstante gibt Auskunft über die Lage des Gleichgewichts:

Kc >> 1

Das Gleichgewicht liegt weit auf der Produktseite:

  • Die Hinreaktion ist stark begünstigt
  • Die Produktkonzentrationen überwiegen
  • Edukte reagieren nahezu vollständig

Kc << 1

Das Gleichgewicht liegt weit auf der Eduktseite:

  • Die Rückreaktion ist stark begünstigt
  • Die Eduktkonzentrationen überwiegen
  • Nur wenig Produkt wird gebildet

Kc ≈ 1

Das Gleichgewicht liegt in der Mitte:

  • Hin- und Rückreaktion ähnlich stark
  • Edukte und Produkte in vergleichbaren Konzentrationen

3. Berechnung und Interpretation der Gleichgewichtskonstante

Die Gleichgewichtskonstante ist eine fundamentale Größe zur Beschreibung chemischer Gleichgewichte. Ihre Berechnung und Interpretation ist wichtig für das Verständnis und die Vorhersage von Reaktionsverläufen.

Beispiel: Berechnung der Gleichgewichtskonstante für die Ammoniaksynthese

Reaktionsgleichung: \( \ce{N2(g) + 3H2(g) <=> 2NH3(g)} \)

Gegeben sind die Gleichgewichtskonzentrationen:

  • [N2] = 0.2 mol/L
  • [H2] = 0.1 mol/L
  • [NH3] = 0.04 mol/L

Berechnung von Kc:

\[ K_c = \frac{[NH_3]^2}{[N_2] \cdot [H_2]^3} = \frac{(0.04 \text{ mol/L})^2}{0.2 \text{ mol/L} \cdot (0.1 \text{ mol/L})^3} \]

\[ K_c = \frac{0.0016 \text{ (mol/L)}^2}{0.2 \text{ mol/L} \cdot 0.001 \text{ (mol/L)}^3} = \frac{0.0016}{0.0002} = 8.0 \]

Interpretation: Kc = 8.0 > 1 bedeutet, dass das Gleichgewicht leicht auf der Produktseite liegt.

Berechnung von Gleichgewichtskonzentrationen

Mit dem Massenwirkungsgesetz können auch die Gleichgewichtskonzentrationen berechnet werden, wenn die Gleichgewichtskonstante und einige Konzentrationen bekannt sind.

Hinweis zur Berechnung:

Bei der Berechnung von Gleichgewichtskonzentrationen mit dem MWG sollte zwischen zwei Fällen unterschieden werden:

  1. Δν = 0: Die Summe der stöchiometrischen Koeffizienten ist auf beiden Seiten gleich. In diesem Fall kann Kc direkt mit den Konzentrationen berechnet werden.
  2. Δν ≠ 0: Die Summe der stöchiometrischen Koeffizienten unterscheidet sich. Hier müssen Stoffmengenänderungen berücksichtigt werden, da sich das Volumen während der Reaktion ändern kann.

Bei Estersynthesen (z.B. \( \ce{CH3COOH + CH3CH2OH <=> CH3COOCH2CH3 + H2O} \)) ist Δν = 0, was die Berechnung vereinfacht.

4. Beeinflussung des chemischen Gleichgewichts - Das Prinzip von Le Chatelier

Das Prinzip von Le Chatelier (auch Prinzip des kleinsten Zwangs) besagt, dass ein System im Gleichgewicht einer äußeren Störung ausweicht, indem es in Richtung eines neuen Gleichgewichtszustands reagiert, der die Störung minimiert.

Einflussfaktoren auf das chemische Gleichgewicht

1. Temperatureinfluss und dynamisches Gleichgewicht

Die Temperatur beeinflusst als einziger Faktor den Wert der Gleichgewichtskonstante:

  • Exotherme Reaktion: Eine Temperaturerhöhung verschiebt das Gleichgewicht zur Eduktseite (K wird kleiner)
  • Endotherme Reaktion: Eine Temperaturerhöhung verschiebt das Gleichgewicht zur Produktseite (K wird größer)
Der Apfelkrieg: Dynamisches Gleichgewicht Feld des Großvaters Feld des Enkels 18 Äpfel 0 Äpfel Großvater wirft Enkel wirft zurück Ausgangszustand: Alle Äpfel beim Großvater Dynamisches Gleichgewicht: K = Äpfelmenge Großvater Äpfelmenge Enkel = 18/0 = ∞ Start Animation T↑ (Großvater wirft schneller) Reset

Animation: Der Apfelkrieg als Modell eines dynamischen chemischen Gleichgewichts

Diese Animation veranschaulicht die grundlegenden Prinzipien des chemischen Gleichgewichts und dessen Beeinflussung durch äußere Faktoren:

  1. Ausgangssituation: Alle 18 Äpfel liegen im Feld des Großvaters.
  2. Einstellung des Gleichgewichts: Nach Klick auf "Start" beginnt der Großvater, Äpfel zu seinem Enkel zu werfen. Sobald der Enkel einige Äpfel hat, wirft er ebenfalls Äpfel zurück. Allmählich stellt sich ein Gleichgewicht ein, bei dem beide Seiten mit gleicher Geschwindigkeit Äpfel werfen (12 Äpfel beim Großvater, 6 beim Enkel).
  3. Beeinflussung des Gleichgewichts: Durch Klick auf den Temperaturerhöhungs-Button kann der Großvater schneller werfen (analog zu einer erhöhten Reaktionsgeschwindigkeit bei Temperaturerhöhung). Dadurch stellt sich ein neues Gleichgewicht mit mehr Äpfeln auf der Enkelseite ein (10 Äpfel beim Großvater, 8 beim Enkel).

Dieses Modell veranschaulicht wichtige Aspekte des chemischen Gleichgewichts:

  • Das dynamische Wesen des Gleichgewichts: Selbst im Gleichgewichtszustand finden ständig Hin- und Rückreaktionen statt.
  • Die Gleichgewichtskonstante K als Verhältnis zwischen den Konzentrationen.
  • Die Verschiebung des Gleichgewichts durch äußere Einflüsse nach dem Prinzip von Le Chatelier.

2. Konzentrationseinfluss

Änderungen der Konzentrationen beeinflussen die Gleichgewichtslage, nicht jedoch die Gleichgewichtskonstante:

  • Erhöhung der Eduktkonzentration: Gleichgewicht verschiebt sich zur Produktseite
  • Erhöhung der Produktkonzentration: Gleichgewicht verschiebt sich zur Eduktseite
  • Entfernen eines Stoffes: Gleichgewicht verschiebt sich zur Seite dieses Stoffes
Der Apfelkrieg: Konzentrationseinfluss Feld des Großvaters Feld des Enkels 18 Äpfel 0 Äpfel Großvater wirft Enkel wirft zurück Ausgangszustand: Alle Äpfel beim Großvater Dynamisches Gleichgewicht: K = Äpfelmenge Großvater Äpfelmenge Enkel = 18/0 = ∞ Gleichgewicht starten + Äpfel zum Großvater + Äpfel zum Enkel Reset

Animation: Konzentrationseinfluss auf das chemische Gleichgewicht

Diese Animation veranschaulicht, wie Änderungen der Konzentration (hier: Anzahl der Äpfel) das chemische Gleichgewicht beeinflussen:

  1. Ausgangssituation: Alle 18 Äpfel liegen im Feld des Großvaters.
  2. Einstellung des Gleichgewichts: Nach Klick auf "Gleichgewicht starten" werden einige Äpfel zum Enkel verschoben und es stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht ein (12 Äpfel beim Großvater, 6 beim Enkel, K = 2).
  3. Konzentrationserhöhung beim Großvater: Durch Klick auf "+ Äpfel zum Großvater" werden 4 zusätzliche Äpfel auf der linken Seite hinzugefügt. Das Gleichgewicht verschiebt sich vorübergehend, pendelt sich aber wieder bei K = 2 ein, mit insgesamt mehr Äpfeln auf beiden Seiten (16 Äpfel beim Großvater, 8 beim Enkel).
  4. Konzentrationserhöhung beim Enkel: Durch Klick auf "+ Äpfel zum Enkel" werden 2 zusätzliche Äpfel auf der rechten Seite hinzugefügt. Auch hier verschiebt sich das Gleichgewicht vorübergehend, pendelt sich aber wieder bei K = 2 ein (20 Äpfel beim Großvater, 10 beim Enkel).

Diese Demonstration zeigt das Le Chatelier'sche Prinzip:

  • Bei Erhöhung der Eduktkonzentration (Großvater-Seite) verschiebt sich das Gleichgewicht zeitweise zur Produktseite, bis das ursprüngliche Konzentrationsverhältnis wieder erreicht ist.
  • Bei Erhöhung der Produktkonzentration (Enkel-Seite) verschiebt sich das Gleichgewicht zeitweise zur Eduktseite.
  • Trotz unterschiedlicher absoluter Anzahl an Äpfeln bleibt die Gleichgewichtskonstante K unverändert bei 2.

3. Druckeinfluss

Bei Reaktionen mit Gasen beeinflusst der Druck die Gleichgewichtslage, jedoch nicht die Gleichgewichtskonstante:

  • Druckerhöhung: Gleichgewicht verschiebt sich zur Seite mit weniger Gasteilchen
  • Drucksenkung: Gleichgewicht verschiebt sich zur Seite mit mehr Gasteilchen
  • Kein Einfluss: Bei gleicher Anzahl von Gasteilchen auf beiden Seiten der Reaktion

Hinweis zur Gleichgewichtskonstante bei Gasreaktionen

In dieser Animation verwenden wir die Gleichgewichtskonstante Kp, die auf Partialdrücken basiert, anstelle von Kc, die auf Konzentrationen basiert. Dies ist bei Gasreaktionen oft praktischer, da sich bei Druckänderungen die Volumina und damit die Konzentrationen ändern.

Wichtig zu verstehen ist: Bei einer Druckänderung verschieben sich die Stoffmengenanteile im Gleichgewicht, aber beide Gleichgewichtskonstanten Kp und Kc bleiben konstant. Sie sind intrinsische Eigenschaften des chemischen Systems bei einer gegebenen Temperatur.

Die beiden Konstanten hängen über die Beziehung Kp = Kc · (RT)Δn zusammen, wobei Δn die Änderung der Molzahl gasförmiger Teilchen ist. Bei der hier gezeigten Reaktion N2O4 ⇌ 2 NO2 ist Δn = 1, da aus 1 Mol Gasteilchen 2 Mol entstehen.

Druckeinfluss auf das Gleichgewicht N₂O₄ ⇌ 2 NO₂ 1 farbloses N₂O₄-Molekül ⇌ 2 braune NO₂-Moleküle = N₂O₄ = NO₂ Druck 0 1 2 3 2 1 0 Druck: 1 atm (normal) N₂O₄-Moleküle: 7 (73%) NO₂-Moleküle: 3 (27%) Kp = p(NO₂)² / p(N₂O₄) = 0.1 atm Hoher Druck Normaler Druck Niedriger Druck Reset

Animation: Druckeinfluss auf das N₂O₄ ⇌ 2 NO₂ Gleichgewicht

Diese Animation veranschaulicht das Prinzip von Le Chatelier bei Druckänderungen am Beispiel der Dissoziation von Distickstofftetroxid:

  1. Ausgangssituation (normaler Druck): Bei einem Druck von 1 atm stellt sich ein Gleichgewicht ein, bei dem etwa 73% der Moleküle als N₂O₄ und 27% als NO₂ vorliegen.
  2. Druckerhöhung: Bei einem Druck von 3 atm verschiebt sich das Gleichgewicht zur Seite mit weniger Gasteilchen (zur N₂O₄-Seite). Der Anteil an N₂O₄ steigt auf etwa 83%.
  3. Drucksenkung: Bei einem Druck von 0,1 atm verschiebt sich das Gleichgewicht zur Seite mit mehr Gasteilchen (zur NO₂-Seite). Der Anteil an NO₂ steigt auf etwa 62%.

Wichtig zu beobachten ist, dass trotz der Verschiebung des Gleichgewichts die Gleichgewichtskonstante Kp ≈ 0,1 atm konstant bleibt. Dieses Verhalten ist charakteristisch für das Le Chatelier'sche Prinzip: Ein System im Gleichgewicht weicht einem äußeren Zwang (hier: Druckänderung) aus, indem es sich in Richtung der Reaktion verschiebt, die dem Zwang entgegenwirkt.

Diese Gesetzmäßigkeit hat große praktische Bedeutung, etwa bei der industriellen Ammoniaksynthese (Haber-Bosch-Verfahren), wo hohe Drücke die Ausbeute verbessern, da bei der Reaktion eine Volumenverminderung eintritt (N₂ + 3H₂ ⇌ 2NH₃).

4. Katalysator

Ein Katalysator hat einen besonderen Einfluss auf chemische Gleichgewichte:

  • Beschleunigt Hin- und Rückreaktion gleichermaßen
  • Verkürzt die Zeit bis zur Gleichgewichtseinstellung
  • Verändert nicht die Lage des Gleichgewichts und nicht den Wert von K

Katalysatoren setzen die Aktivierungsenergie für eine Reaktion herab, wodurch sowohl die Hin- als auch die Rückreaktion schneller ablaufen. Da beide Reaktionen gleichermaßen beschleunigt werden, bleibt das Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeiten und damit auch die Gleichgewichtskonstante unverändert.

Ein Beispiel aus dem Alltag ist der Katalysator im Auto, der schädliche Abgase schneller in unschädliche Verbindungen umwandelt, oder Enzyme in unserem Körper, die biochemische Reaktionen beschleunigen.

Experiment: Untersuchung der Löslichkeit von CO2 in Wasser

Reaktionsgleichung: \( \ce{CO2(g) + H2O(l) <=> H2CO3(aq)} \)

Einfluss der Temperatur:

Material: Mineralwasser, Wasserbäder unterschiedlicher Temperatur

Durchführung:

  1. Zwei gleiche Flaschen Mineralwasser in Wasserbäder mit unterschiedlichen Temperaturen (z.B. 5°C und 40°C) stellen
  2. Nach 30 Minuten vorsichtig öffnen und die Intensität der CO2-Freisetzung beobachten

Beobachtung: Das wärmere Mineralwasser schäumt deutlich stärker, da weniger CO2 gelöst bleibt.

Erklärung: Die Lösung von CO2 in Wasser ist exotherm. Bei höherer Temperatur verschiebt sich das Gleichgewicht zur Eduktseite, CO2 entweicht.

Einfluss des Drucks:

Bei erhöhtem Druck (geschlossene Flasche) wird mehr CO2 gelöst (Gleichgewicht verschiebt sich zur Produktseite), bei Druckabnahme (Öffnen der Flasche) entweicht das Gas.

5. Praktisches Beispiel: Estersynthese und -hydrolyse

Die Reaktion zwischen einer Carbonsäure und einem Alkohol zur Bildung eines Esters und Wasser ist ein klassisches Beispiel für ein chemisches Gleichgewicht.

Reaktionsgleichung der Estersynthese:

\[ \ce{R-COOH + R'-OH <=> R-COO-R' + H2O} \]

Am Beispiel von Essigsäureethylester:

\[ \ce{CH3-COOH + CH3CH2-OH <=> CH3-COO-CH2CH3 + H2O} \]

Herstellung von Essigsäureethylester

Um das Gleichgewicht zur Produktseite zu verschieben:

  • Überschuss an Essigsäure oder Ethanol verwenden
  • Kontinuierliche Entfernung des Wassers (z.B. durch Molekularsieb)
  • Einsatz von Katalysatoren (z.B. konz. Schwefelsäure)

Hydrolyse von Essigsäureethylester

Um die Spaltung des Esters zu fördern:

  • Überschuss an Wasser verwenden
  • Katalyse durch Säuren oder Basen
  • Kontinuierliche Entfernung eines Produkts

Experiment: Beeinflussung des Estergleichgewichts

Material: Essigsäure, Ethanol, konzentrierte Schwefelsäure, Wasser, Reagenzgläser

Teil 1: Synthese des Esters

  1. In einem Reagenzglas gleiche Mengen Essigsäure und Ethanol mischen
  2. Einige Tropfen konzentrierte Schwefelsäure als Katalysator zugeben
  3. Mischung vorsichtig erwärmen und am charakteristischen Geruch des Esters erkennen

Teil 2: Hydrolyse des Esters

  1. Zu einer Probe des gebildeten Esters einen großen Überschuss Wasser zugeben
  2. Mischung erwärmen und beobachten, wie der Estergeruch abnimmt

Erklärung: Nach dem Prinzip von Le Chatelier verschiebt ein Überschuss eines Edukts das Gleichgewicht zur Produktseite (Synthese) und ein Überschuss an Wasser verschiebt das Gleichgewicht zur Eduktseite (Hydrolyse).

6. Berechnung von Gleichgewichtskonzentrationen

Mit diesem Rechner kannst du Gleichgewichtskonzentrationen und die Gleichgewichtskonstante für eine Reaktion vom Typ aA + bB ⇌ cC + dD berechnen.

Berechnung der Gleichgewichtskonstante Kc

Stöchiometrische Koeffizienten:





Gleichgewichtskonzentrationen (mol/L):





7. Übungsaufgaben zum chemischen Gleichgewicht

Übungsaufgabe 1: Berechnung der Gleichgewichtskonstante

Bei der Reaktion A + B ⇌ 2C wurden im Gleichgewicht folgende Konzentrationen gemessen: [A] = 0.4 mol/L, [B] = 0.4 mol/L und [C] = 0.6 mol/L. Berechne die Gleichgewichtskonstante Kc.

Lösung:

\[ K_c = \frac{[C]^2}{[A] \cdot [B]} = \frac{(0.6 \text{ mol/L})^2}{0.4 \text{ mol/L} \cdot 0.4 \text{ mol/L}} = \frac{0.36 \text{ (mol/L)}^2}{0.16 \text{ (mol/L)}^2} = 2.25 \]

Kc = 2.25 > 1 bedeutet, dass das Gleichgewicht auf der Produktseite liegt.

Übungsaufgabe 2: Gleichgewichtsverschiebung nach Le Chatelier

Betrachte das Gleichgewicht: \( \ce{N2(g) + 3H2(g) <=> 2NH3(g) + \text{Wärme}} \)

Gib an, in welche Richtung sich das Gleichgewicht verschiebt bei:

  1. Erhöhung der H2-Konzentration
  2. Erhöhung der Temperatur
  3. Druckerhöhung
  4. Zugabe eines Katalysators

Lösung:

a) Durch Erhöhung der H2-Konzentration verschiebt sich das Gleichgewicht zur Produktseite (mehr NH3).

b) Da die Reaktion exotherm ist (Wärme wird freigesetzt), verschiebt eine Temperaturerhöhung das Gleichgewicht zur Eduktseite (weniger NH3).

c) Bei Druckerhöhung verschiebt sich das Gleichgewicht zur Seite mit weniger Gasteilchen. Hier: 4 Teilchen (1 N2 + 3 H2) ⇌ 2 Teilchen (2 NH3), also zur Produktseite (mehr NH3).

d) Ein Katalysator hat keinen Einfluss auf die Lage des Gleichgewichts, sondern beschleunigt nur die Einstellung des Gleichgewichts.